Bundesfreiwilligendienst im DUCKDALBEN: 365 Tage Belastungsprobe mit Spaßfaktor und Lebenstraining

Die Welt kommt zu uns

Neue Mitarbeiterin Juliane Pinkepank hat vor vier Jahren selbst Freiwilliges Soziales Jahr im international seamen’s club abgeleistet

Schlag auf Schlag ging es gleich am ersten Tag, erinnert sich Vicky: „,Laß‘ bitte das Auto reparieren, bestell doch mal dies und das nach, ruf‘ schnell beim Oberhafenamt an, …‘ Als Neuling soll ich einfach beim Oberhafenamt anrufen? Kennen die mich denn überhaupt? Aber als ich mich mit DUCKDALBEN meldete, war alles klar.“ Turbulente erste Wochen haben sie erlebt: Viktoria Brunke, genannt Vicky, Linus Kreie, Marten Schinke, Paula Dorau und Bengt Ingelmann, die sich für ihren Bundesfreiwilligendienst den international seamen’s club mitten im Hamburger Hafen ausgeguckt hatten. Nach dem Abitur mit 17 wollte der Düsseldorfer Marten unbedingt von zu Hause weg in eine eigene Bude ziehen. Nicht nur für ihn, auch für die drei anderen Auswärtigen - Paula kommt aus Warburg, Vicky aus Salzgitter und Linus wohnte in Meldorf in Dithmarschen - war ein großer Anreiz, eine Wohnung zu beziehen, die der DUCKDALBEN den „Bufdis“ zur Verfügung stellt.

federal volunteersBengt war „tierisch aufgeregt“ und dachte, „daß kannst Du nie alles lernen, vor allem mit Schulenglisch ein Sprung ins kalte Wasser. Aber schon der erste Tag hat richtig Spaß gemacht.“ Linus ging es ähnlich, zumal die Seeleute die unterschiedlichsten Varianten von Englisch sprechen. Die vielen unbekannten Gesichter zuzuordnen fiel Marten anfangs schwer: „Seeleute, Trucker, Bahner, Besucher, Festangestellte, Ehrenamtliche, - aber alle Mitarbeiter im Club kannten schon unsere Namen, und wir gehörten gleich dazu!“ Paula hatte ebenfalls Herzklopfen, war aber „hochmotiviert, voller Freude auf den Umgang mit Seeleuten, den Zugang zu anderen Menschen.“ Zwar gab’s im Cluballtag jeden Tag ständig Neues zu lernen, aber ihre Befürchtungen haben sich schon nach den ersten Wochen in Luft aufgelöst. Heute können die jungen Freiwilligen darüber schmunzeln.

Dazwischen liegt ein Jahr mit 364 Öffnungstagen im DUCKDALBEN, mit Schichtdienst, Arbeitszeiten bis in die Nacht, denn der Club schließt erst um 22.30 Uhr, und bis alle Seeleute dann mit dem kostenlosen Shuttle-Service der vier hauseigenen Kleinbusse wieder vom Club zu ihren Schiffen gebracht worden sind, Flaschen eingesammelt, Vorräte aufgefüllt, alles aufgeräumt ist und die Statistik geführt, ist es schnell nach Mitternacht.

Ein Jahr mit mehr als 34.000 Seefahrern aus insgesamt 112 Ländern, mit mehr als 14.000 Fahrten und 224.000 gefahrenen Kilometern. Im Schnitt pro Tag 95 seefahrende Gäste aus den Philippinen, Indien, China, Rußland, Polen, der Ukraine, manchmal aus Tansania, Tonga oder Tuvalu. Sie alle wollen in ihrer knappen Freizeit an Land gemütlich ein Bierchen oder einen Kaffee trinken und klönen, und möglichst viel „erledigen“, was an Bord wochen- und monatelang nicht geht. Etwa im kleinen Shop Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen, sei es Schokolade oder Shampoo, warme Mützen oder eine Kappe mit dem DUCKDALBEN-Emblem als Erinnerung erstehen, chinesische Tütensuppe ergattern oder Schweineschwartencracker, Lieblingsnaschwerk der Filipinos. Auf dem Tresen steht die Tabelle mit den aktuellen Umrechnungskursen für Ägyptisches Pfund, Singapur Dollar, Polnische Zloti, Chinesische Yuan, Brasilianischen Real und etliche andere Währungen. US-Dollar sind ohnehin gängiges Zahlungsmittel für die Seeleute im international seamen’s club. Die Seeleute können nicht nur Geld wechseln, sondern außerdem den kostengünstigen und sicheren Service des Seemannsclubs nutzen und die Heuer an ihre Familien in der fernen Heimat überweisen. Das allerwichtigste aber ist für die meisten Seeleute der Kontakt nach Hause. Sie kaufen Telefon- und Sim-Karten, nutzen das Internet, skypen. Dank WiFi funktioniert das nicht nur im Internetraum, sondern überall im Haus: in den bequemen Sofaecken, im Billardraum, an den Tischen im Clubraum und sogar draußen im Garten. „Die besonderen Erlebnisse in unserer Zeit im DUCKDALBEN waren eigentlich die ganz normalen Alltagsbegebenheiten, nichts Außergewöhnliches“, faßt Marten Schinke es zusammen. „Wenn ein Seemann Probleme mit dem Telefon hatte, der Sim-Karte, dem Aufladen - und dann die unbändige Freude, als wir ihm geholfen haben und er endlich mit seiner Familie sprechen konnte. Das ist berührend, geht ins Gedächtnis und ins Herz.“

Das DUCKDALBEN-Logbuch gewährt Einblicke. Am 15. Oktober 2012 trägt Marten ein: „Heute hat sich etwas ganz Schönes im Club ereignet  eine Familienzusammenführung. Ein junger ukrainischer Seemann, der auf seinem ersten Schiff nach Hamburg gefahren ist, hat im DUCKDALBEN seine Schwester wiedergetroffen, die seit 10 Jahren in Deutschland/Hamburg lebt. Welche Freude.“

Am Tresen im Clubraum laufen die Fäden zusammen. Die Anrufe der Seeleute, die von den Schiffen abgeholt werden möchten, landen hier, der Funkverkehr mit den vier Kleinbussen geht ein. Einer der Bufdis koordiniert, stellt die Fahrten zusammen, vermeidet Leerfahrten, setzt die Ducky-Busse sinnvoll und sparsam ein ohne die Seeleute allzu lange warten zu lassen, dirigiert die Fahrer, wenn plötzlich neue Anfragen kommen und ein Bus schon in der Nähe ist. Da kann man ziemlich ins Schwitzen kommen, schließlich umfaßt das Hafengebiet 75 km², gut 280 Liegeplätze an mehr als 70 Terminals. Beileibe nicht nur Container werden umgeschlagen. Auch Kohle und Erz, Kraftstoffe, Getreide, Ölsaaten, Autos und Schrott, Windkraftanlagen, Traktoren, Brauereikessel  laden und löschen die knapp 10.000 Seeschiffe, die den Hamburger Hafen im Jahr anlaufen.

Ein besonderes Jahr nicht nur für das Freiwilligen-Team, sondern auch für Juliane Pinkepank: 2008 selbst im Freiwilligen Sozialen Jahr beim DUCKDALBEN, hat sie inzwischen Soziale Arbeit studiert, ihr berufliches Anerkennungsjahr im Club abgeleistet und ist seit dem 1. September 2013 als Sozialpädagogin fest angestellt. Eine lückenlose “Ducky“-Laufbahn, die erste dieser Art seit Gründung des Clubs: Denn auch während des Studiums hat sie nebenher immer wieder im international seamen’s club gearbeitet, entweder ehrenamtlich oder als Honorarkraft, weil sie es ohne Club „gar nicht aushalten“ konnte. Ein bißchen Bammel hatte sie vor dem Positionswechsel. Schließlich kannten viel Ehren- und Hauptamtliche sie noch als FSJlerin. Aber: „Großes Kompliment an alle! Das ging unglaublich reibungslos, alle haben mich sofort akzeptiert und respektiert.“ 2012/13 war der erste Jahrgang der Freiwilligen, den sie als „Verantwortliche Diensthabende“ miterlebt hat. „Das war schon etwas Besonderes, denn  ich muß mich ja um viel mehr kümmern als bisher und bin im Tagesgeschäft verantwortlich.“ Nicht nur für Abläufe, Abrechnung oder Auslandsüberweisungen der Gäste in ihre Heimatländer. „On top steht der respektvolle, freundliche, geduldige Umgang mit den Seeleuten, die persönliche Begrüßung, das Eingehen auf ihre Fragen und Wünsche, das Menschliche eben, das den DUCKDALBEN ausmacht. Daneben ist mir die Harmonie im Tagesteam wichtig. Jedes Team ist anders. Nur wenn es hier stimmt, können wir das ausstrahlen, was die Seefahrer aus aller Welt an diesem Club besonders schätzen.“  Diese Ausstrahlung hat auch Bengt schon bei seinem ersten Besuch als Bewerber für den Bundesfreiwilligendienst gespürt: „Als ich reinkam, war ich sofort zu Hause. Diese Atmosphäre war einfach da.“

Ein Jahr vor allem mit bleibenden Erlebnissen, fröhlichen und traurigen. Und neuen Horizonten, denn von Seefahrt und dem Leben an Bord hatten alle Fünf keine Ahnung. Am 10. Mai 2013 schreibt Linus Kreie: „Ich hab‘ heute einen Seemann von einem Stolt Schiff in Harburg abgeholt und mich während der Fahrt nett unterhalten. Klassischerweise hat er gefragt, ob ich verheiratet bin. Ich hab‘ erwidert, daß das in Deutschland mit 20 nicht so normal ist. Daraufhin meinte er, daß er sich verheiraten wollte, aber SIE einen anderen geheiratet hat, als er an Bord war. Das macht einem klar, wie sch… es einem Seemann ergehen kann …“ Einen realistischen Blick aufs Leben habe er bekommen, nennt es der 20jährige. Harte Brocken waren das manchmal. Davon zeugen die Einträge ins Logbuch. Linus notiert am 6. Oktober 2012: Ariel von der „Iris Bolten“ war wieder da. Er hat bei allen, die im Club waren, für große Freude gesorgt, da er Mitarbeiter und andere Seeleute gezeichnet hat. Extrem gut! Jeder hat das Bild als Erinnerung mitgenommen. Sieben Monate später steht plötzlich das Foto eines Seemannes auf einem der kleinen Andachtstische im Raum der Stille, in der Gebetsnische für Christen. Unter dem 14. Mai 2013 ist im Logbuch zu lesen:  Heute haben wir erfahren, daß Ariel am Sonntag gestorben ist. Ich durfte dann länger mit einem anderen Seemann darüber reden und ihn trösten, weil er Ariel treffen wollte.

Ernsthafter sei er geworden, zielstrebiger, verantwortungsbewußter. „Es fühlt sich erwachsener an“, beschreibt der 20jährige sein Jahr, und die anderen schließen sich an.  Linus will das Gebiet nicht wechseln, lernt voller Schwung Schiffsmakler: „Mir ist überhaupt erst klargeworden, wie viel über Schifffahrt läuft!“ Bengt faßt seine Zeit als Bufdi im DUCKDALBEN kurz und knapp zusammen: „Du hast nie das Gefühl gehabt, daß du zur Arbeit mußt!“ Der Hamburger bleibt der Seefahrt an Land treu und macht begeistert eine Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann. Vicky hat Fähigkeiten in sich entdeckt, die ihr nicht bewußt waren. „Ich habe viel mehr Geduld als ich dachte, traue mir selbst mehr zu. Im Club muß man wirklich hart arbeiten, wie am Fließband. Ich bin streßresistenter geworden. Langsam weiß ich, was ich in meinem Leben nach dem DUCKDALBEN will.“ Mit dem Ethnologie-Studium an der hiesigen Universität hat es leider noch nicht geklappt. Zunächst peilt Vicky einen Aufenthalt als Au-Pair in den USA oder einen Freiwilligendienst in Indien an.

Vicky, Paula und Marten heben den „anderen Blick“ hervor, den sie nach ihren freiwilligen Dienst auf ganz alltägliche Dinge in ihrem Leben haben: „In der Nähe der Familie zu sein, sich einfach mal in einen Park setzen zu können, Treffen mit Freunden, Fröhlichkeit genießen“, zählt Marten auf. „Alles das, was die Seeleute aufgeben, um mit ihrer Arbeit dafür zu sorgen, daß wir gut leben können.“ Mit seinen 19 zieht es ihn in die Ferne. Er hängt ein freiwilliges Auslandsjahr in Argentinien an, schreibt Logbuch aus Buenos Aires. Fernweh verspürt Paula hingegen nicht: „Das Ausland, die Welt kommt zu uns in den Club!“ Sie studiert Fahrzeugbau in Hamburg. Ebenso wie Vicky hat Paula im Club gelernt, aus sich heraus zu gehen, auf andere zuzugehen, damit die Gäste sich nicht fremd fühlen: „Sich auf neue Menschen einzustellen muß im DUCKDALBEN ruck-zuck gehen.“

Und Juliane Pinkepank, die „Neue“, die eigentlich ein schon ein „alter Hase“ ist? Noch ein bißchen unempfindlicher gegen Streß will die 25jährige noch werden und Russisch lernen, das spricht im DUCKDALBEN bislang niemand. “Sprache ist ein Eisbrecher. Mit den russischen Gästen könnte ich mich dann in ihrer Muttersprache unterhalten!“ Wenn sie denn Zeit zum Lernen hat, der nächste Jahrgang ist schon lerneifrig dabei. Für die neuen Bufdis hat  sich die Sozialpädagogin vorgenommen, Konzepte zu entwickeln, die Arbeit öfter gemeinsam zu reflektieren, alle zwei bis drei Monate mit den jungen Leuten zu besprechen, was sie mit ihren Erfahrungen machen können. Zum Ende hin möchte sie ein Bewerbungstraining entwickeln. Kaja Baumecker, Christoph Böckler, Jan Niklas Grünanger, Eike Thies Osmers und Jessica Preschel haben ihre Einarbeitungsphase hinter sich und noch ein Dreivierteljahr vor sich. Über ihren ersten Tag im international seamen’s club können sie inzwischen auch schon schmunzeln.               

Angelika F. Pfalz

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